Neuroenhancement

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Aktualisiert am: 10.07.2023

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Neuroenhancement – das Wichtigste in Kürze

  • Neuroenhancement (Cognitive Enhancement; „Hirndoping“) bezeichnet den Versuch der kognitiven Leistungssteigerung durch die Einnahme von psychoaktiven Substanzen.
  • Einige typische Neuro-Enhancer wie Koffein oder Ginkgo biloba sind relativ harmlos.
  • Problematischer sind psychoaktive Arzneimittel und illegale Rauschgifte, die zum Hirndoping verwendet werden.
  • Es droht eine Vielzahl von teilweise lebensgefährlichen Risiken plus Abhängigkeit.
  • Die Wirksamkeit des Neuro-Enhancements ist stark umstritten.
Inhalt

Was ist Neuroenhancement?

Neuroenhancement wird häufig auch als Hirndoping bezeichnet. Es handelt sich um den Versuch, die Gehirnleistung (zum Beispiel Konzentration, Wachheit oder Merkfähigkeit) gesunder Menschen durch die Einnahme von psychoaktiven Substanzen zu steigern und Stress zu kompensieren. Hierfür werden meistens Arzneimittel und sogar illegale Drogen missbraucht. Das Neuroenhancement birgt hohe Risiken für gesundheitliche Komplikationen und kann sogar in eine Abhängigkeitserkrankung führen.

Wie stark ist Neuroenhancement verbreitet?

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Erhebungen durchgeführt, bei der bestimmte Personengruppen über ihr Verhältnis zum Neuroenhancement befragt wurden. Die Ergebnisse sind bisweilen überraschend:

  • Etwa jeder sechste Studierende hat laut der KKSLH-Studie von 2019 schon Mittel zur Leistungssteigerung oder Beruhigung eingenommen1.
  • 6,7 Prozent der deutschen Arbeitnehmer haben schon einmal verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen, um im Job leistungsfähiger zu sein, lt. Gesundheitsreport 2015 der DAK2.
  • In einer freiwilligen Umfrage unter 1.400 Wissenschaftlern gaben 20 Prozent bereits im Jahr 2008 an, schon einmal Neuroenhancement-Substanzen eingenommen zu haben3.

Die häufig auch als Cognitive Enhancement bekannten Dopingversuche fürs Gehirn sind also längst kein Randphänomen mehr. Außerdem kommen sie bei Weitem nicht nur bei den sogenannten Leistungsträgern vor – die Ergebnisse der DAK-Studie zeigen, dass auch Arbeitnehmer, deren Job auf einfachen Tätigkeiten basiert, bereits Substanzen eingenommen haben, um eine Verbesserung der eigenen Leistungsfähigkeit zu erreichen 4.

Was macht das Neuro-Enhancement so attraktiv?

Der Wunsch, die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern, ist kein neues Phänomen. Schon in früheren Kulturen war die Einnahme von stimulierenden Substanzen weit verbreitet. Wohl auch deshalb, weil es so erstaunlich leicht klingt: Einfach eine Pille einnehmen und schon kann man länger arbeiten und wach bleiben oder sich Dinge besser merken. In unserer schnelllebigen und (über-)fordernden Gesellschaft, in der Leistungsdruck in der Schule, an der Universität, am Arbeitsplatz und auch in der Freizeit eine immer größere Rolle spielt, scheint diese Lösung zu verlockend. Da werden die möglichen Risiken, die das Einnehmen von Neuro-Enhancement-Medikamenten oder gar illegalen Drogen mit sich bringt, schnell vernachlässigt.

Welche Neuroenhancement-Substanzen gibt es?

Beim Thema Neuro-Enhancement muss zwischen legalen Substanzen, verschreibungspflichtigen Medikamenten und illegalen Drogen unterschieden werden.

Legale Substanzen fürs Neuro-Enhancement

Zu den am häufigsten verwendeten legalen Substanzen, die für das Enhancement der kognitiven Fähigkeiten eingesetzt werden, gehören: Koffein, Guarana, Ginkgo biloba.

Koffein – Bei den meisten Personen, die Neuroenhancement anwenden, ist Koffein die am häufigsten genutzte Substanz. Als Kaffee, in süßen Energy-Drinks versteckt oder in Tablettenform mit hoher Dosierung – es gibt verschiedene Möglichkeiten, um sich bzw. die eigene kognitive Leistungsfähigkeit durch Koffein zu pushen.

Guarana – Guarana ist ein Stoff, der ähnlich wie Koffein wirkt und ebenfalls vermehrt in Energy-Drinks, mittlerweile aber auch in diversen Snacks enthalten ist.

Ginkgo biloba – Etwas weniger bekannt ist Ginkgo biloba, ein pflanzlicher Stoff, der in frei verkäuflichen Tabletten enthalten ist, die normalerweise bei demenzbedingtem Leistungsabfall des Gehirns verschrieben werden.

Medikamenten(-Missbrauch) für Neuro-Enhancement

Das sogenannte pharmakologische Neuroenhancement beruht auf der Einnahme von Medikamenten, die einen Einfluss auf die Hirnchemie ausüben. Diese werden dabei nicht zur Behandlung einer Erkrankung, sondern zur Leistungssteigerung des Gehirns zweckentfremdet. Es handelt sich also um einen Medikamentenmissbrauch. Typische Arzneimittel, die häufig missbraucht werden, sind Methylphenidat, Dexamfetamin, Modafinil, Antidepressiva und Antidementiva.

Methylphenidat und Dexamfetamin – Methylphenidat und Dexamfetamin kennt man hierzulande eher unter den Bezeichnungen der prominentesten Präparate wie Ritalin® und Attentin®. Es handelt sich hierbei um Medikamente, die zur Behandlung der ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) verordnet werden.

Modafinil – Modafinil ist ein Wirkstoff, der normalerweise zur Behandlung von Narkolepsie eingesetzt wird.

Antidepressiva – Antidepressiva, z. B. mit dem Wirkstoff Fluoxetin, zielen vorrangig darauf ab, die Stimmungslage und nicht die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu verbessern.

Antidementiva – Unter Antidementiva versteht man Medikamente, die zur Behandlung von Alzheimer-Demenz angewandt werden.

Smart Drugs & Happy Pills

Medikamente und andere Substanzen, die eine kognitive Leistungssteigerung bewirken sollen, werden auch als „smart drugs“ oder „smart pills“ bezeichnet. Medikamente wie Antidepressiva, die in erster Linie das Wohlbefinden verbessern sollen, kennt man dagegen unter der Bezeichnung „happy pills“5.

Missbrauch von illegalen Drogen fürs Neuro-Enhancement

Schon der Missbrauch von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für das kognitive Enhancement ist als fragwürdig anzusehen und wird im Rahmen der ethischen Bewertung heißt diskutiert. Grundsätzlich abgelehnt wird jedoch die Einnahme von illegalen Drogen zur Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Substanzen, die dabei zum Einsatz kommen sind:

  • Amphetamine (z.B. Speed, Crystal Meth)
  • Kokain
  • Ecstasy

Welche Wirkung haben Neuro-Enhancement Substanzen?

Die konkrete Wirkung von Amphetaminen, Ritalin® oder Modafinil unterscheidet sich teilweise stark voneinander. Eines haben jedoch alle Wirkstoffe gemeinsam: Sie wirken direkt auf die Hirnchemie ein. Dort beeinflussen sie die Ausschüttung und Aufnahme von Neurotransmittern. Das hat unter anderem einen Einfluss auf die Stimmung, kann jedoch auch die Konzentration bzw. die Wachheit verändern. Zumindest ist das die Intention, die Menschen haben, wenn sie Substanzen wie Methylphenidat und Co. einnehmen. Tatsächlich haben mittlerweile viele Studien gezeigt, dass nur bei den wenigsten smart drugs eine Wirkung nachweisbar ist.

Enhancement durch Koffein

Koffein kann sowohl die Konzentration fördern als auch Müdigkeit verhindern bzw. unterdrücken. Allerdings ergibt sich der größte Effekt nur bei Personen, die tatsächlich müde und/oder erschöpft sind. Abgesehen davon ist Koffein bestenfalls geeignet, um eine Verbesserung bei Aufgaben mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad zu erzielen. Je komplexer die Aufgaben werden, umso mehr verkehrt sich der Effekt ins Gegenteil.

Enhancement durch Ginkgo biloba

Ginkgo biloba wird als Medikament bei Menschen mit nachlassender kognitiver Leistungsfähigkeit aufgrund von Demenz eingesetzt. Studienergebnissen zufolge bedeutet dies im Umkehrschluss jedoch nicht, dass es auch die Gehirnleistung bei gesunden Menschen steigern könnte.6

Enhancement durch Methylphenidat

Methylphenidat und Amphetamine insgesamt gelten als wirkungsstärkste Substanzen, mit denen der Mensch seine kognitiven Leistungen verbessern kann. Aufmerksamkeit, Konzentration, Wachheit – hier können Amphetamine punkten. Bei Methylphenidat war in Studien etwa eine verstärkte Fokussierung der Hirnaktivität zu bemerken. Personen, die Methylphenidat einnahmen, waren aufmerksamer, konnten Informationen schneller verarbeiten und legten eine stärkere Problemlösekompetenz an den Tag. Besonders ausgeprägt waren die Effekte bei Probanden mit Schlafmangel.7

Enhancement durch Modafinil

Eine Studie von 2010 zeigt, dass die psychoaktive Substanz Modafinil bei ausgeruhten Menschen positive Effekte auf die Aufmerksamkeit hat. Bei Schlafdefizit verbessert Modafinil die Gedächtnisleistung und Wachheit. Je länger der Schlafentzug andauert bzw. je größer der damit verbundene Grad an Erschöpfung und kognitiven Einschränkungen ist, umso geringer sind die Einflüsse von Modafinil auf die kognitive Leistungsfähigkeit.8

Enhancement mit Antidepressiva und Antidementia

Antidepressiva und Antidementia sind Medikamente, die normalerweise zur Behandlung von Depressionen und Demenz verwendet werden. Die Einnahme als Neuro-Enhancer basiert auf der Annahme, dass die stimmungs- und gehirnleistungsverbessernden Eigenschaften der Arzneimittel nicht nur Defizite bei Kranken ausgleichen, sondern auch zu Verbesserungen bei Gesunden führen müssten. In Studien konnten derartige Effekte bislang allerdings noch nicht bestätigt werden.

Was sind die Risiken von Neuro-Enhancement?

Menschen, die regelmäßig oder sporadisch sogenannte Neuro-Enhancer einnehmen, um ihre kognitiven Leistungen oder ihre Stimmung zu verbessern, gehen bisweilen ein großes Risiko ein. Abgesehen davon, dass die Einnahme vieler psychoaktiver Substanzen kaum über den Placebo-Effekt hinauswirkt, drohen zahlreiche Nebenwirkungen und mitunter sogar die Gefahr einer Abhängigkeit.

Risiken bei Koffein und ähnlichen Wirkstoffen

Koffein, Ginkgo biloba und Guarana gelten allgemein als ungefährlich. Sie sind völlig legal erhältlich und gehen nur mit kleinen Nebenwirkungen einher. Das betrifft allerdings lediglich die kleinen Dosen: Wer täglich große Mengen Koffein zu sich nimmt, muss durchaus mit Nebenwirkungen rechnen. Dazu gehören unter anderem:

  • Unruhe
  • Zittern und Schwitzen
  • Herzrasen
  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Magen-Darm-Beschwerden

Nebenwirkungen von Psychopharmaka

Die missbräuchliche Verwendung von verschiedenen Arzneimitteln, die etwa gegen Depression, ADHS oder Demenz verordnet werden, ist deutlich gefährlicher als die Einnahme von Koffein fürs Cognitive Enhancement. Denn die meisten psychoaktiven Arzneimittel gehen mit einer Vielzahl an Nebenwirkungen einher. Dazu gehören je nach Präparat zum Beispiel:

  • Schlafstörungen
  • Nervosität und innere Unruhe
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Bluthochdruck
  • beschleunigter Herzschlag
  • Krampfanfälle
  • Herzrhythmusstörungen

Ernste Risiken beim Off-label-use von Medikamenten

Bei Präparaten wie Ritalin® besteht unter Umständen sogar ein Risiko für lebensbedrohliche Nebenwirkungen. Auch psychische Störungen wie Halluzinationen, Manien oder Psychosen können eine Folge der missbräuchlichen Einnahme sein. Darüber hinaus kann die Verwendung psychoaktiver Neuroenhancer in eine psychische Abhängigkeit führen.

Risiken beim Neuro-Enhancement mit illegalen Drogen

Während die Nebenwirkungen der Anwendung von psychoaktiven Arzneimitteln außerhalb der medizinischen Indikation von vielen Neuro-Enhancern vermutlich aufgrund von Unwissenheit unterschätzt werden, ist bei illegalen Drogen klar, dass viele Nebenwirkungen und eine Abhängigkeit drohen. Die Einnahme von Amphetaminen Speed, Crystal Meth, Kokain und Co. kann unter anderem folgende gesundheitliche Komplikationen auslösen:

  • Magen-Darm-Beschwerden
  • innere Unruhe und Nervosität
  • Zittern, Schwitzen, Kopfschmerzen
  • Herzrasen oder Verlangsamung der Herztätigkeit
  • Bluthochdruck

Im ungünstigsten Fall können die Nebenwirkungen lebensgefährlich werden, denn es drohen Atemkreislaufversagen, Schlaganfall und Herzinfarkt. Darüber hinaus besteht die Gefahr für eine Abhängigkeit.

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    Quellenangaben

    1 Gürtler, S., Schmidt, A. „Kurzbericht Berliner KKSLH-Studie“, Hrsg.: Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH, 1. Aufl. 2019., S. 16, https://www.berlin-suchtpraevention.de/wp-content/uploads/2019/08/190828_KKSLH_Ergebnisbericht_FINAL_online.pdf (Datum des Zugriffs: 13.03.23)

    2 DAK Gesundheit „Gesundheitsreport 2015 – DAK-Studie: Doping im Job nimmt deutlich zu“, https://www.dak.de/dak/bundesthemen/gesundheitsreport-2015-2109048.html#/ (Datum des Zugriffs: 20.02.2023)

    3 Maher, B. Poll results: look who’s doping. Nature 452, 674–675 (2008). https://doi.org/10.1038/452674a,https://www.nature.com/articles/452674a (Datum des Zugriffs: 20.02.2023)

    4 DAK Gesundheit „Gesundheitsreport 2015 – DAK-Studie: Doping im Job nimmt deutlich zu“, a.a.O.

    5 Heyn, Gudrun „Neuro-Enhancement – Doping fürs Gehirn“, In: PZ Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 11, 2012, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-112012/doping-fuers-gehirn/ (Datum des Zugriffs: 20.02.2023)

    6 Raum, Sonja „Neuroenhancement: Doping für das Gehirn“, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, 2019, https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/arzneimittel/warnungen_verbraucherinformationen/verbraucherinformationen/neuroenhancement.htm(Datum des Zugriffs: 20.02.2023)

    7 ebd.

    8 Repantis, Dimitris et al. „Modafinil and methylphenidate for neuroenhancement in healthy individuals: A systematic review”, In: Pharmalogical Research 62 (2010), S. 187, 2010 Elsevier Ltd. All rights reserved. doi:10.1016/j.phrs.2010.04.002, https://www.researchgate.net/profile/Isabella-Heuser/publication/43340830_Repantis_D_Schlattmann_P_Laisney_O_Heuser_I_Modafinil_and_methylphenidate_for_neuroenhancement_in_healthy_individuals_a_systematic_review_Pharmacol_Res_62_187-206/links/600aa0caa6fdccdcb86ff424/Repantis-D-Schlattmann-P-Laisney-O-Heuser-I-Modafinil-and-methylphenidate-for-neuroenhancement-in-healthy-individuals-a-systematic-review-Pharmacol-Res-62-187-206.pdf  (Datum des Zugriffs: 21.02.2023)

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