Welche Vorteile bringt Bewegungstherapie für Suchtkranke?
Das Thema Alkoholentzug und Sport ist in den meisten stationären Einrichtungen, die einen Entzug oder eine Entwöhnung / Suchtrehabilitation anbieten, sehr präsent. Auch wenn es noch wenige klinische Studien in diesem Bereich gibt1, ist offensichtlich, dass sich die körperliche Leistungsfähigkeit durch gezielte Sportangebote deutlich verbessert und das Körpererleben positiv beeinflusst. Folge Ziele und Vorteile stehen im Fokus einer Sporttherapie im Rahmen eines Alkoholentzugs:
Orientierung bietende Tagesstrukturen
Wer nach vielen Jahren des krankhaften Konsums damit beginnt, auf Alkohol zu verzichten, wird komplett aus seinem gewohnten Rhythmus gerissen. Bei langjährigen Alkoholikern ist es schließlich häufig der Alkohol, der die Tagesstrukturen vorgibt. Sportangebote können dabei helfen, dem (Klinik-)Alltag eine neue Struktur zu geben. Deshalb stehen während eines stationären Entzugs normalerweise immer sportliche Therapieangebote auf dem individuellen Behandlungsplan. Auch für die Zeit nach Entgiftung und Entwöhnung sind sportliche Angebote hilfreich, um den Alltag oder das Leben zu strukturieren.
Wiederaufbau der eigenen Körperwahrnehmung
Alkoholische Getränke wie Bier oder Wein bringen auf lange Sicht nicht nur den Neurotransmitter-Stoffwechsel, Reaktionsvermögen und Koordination, sondern auch den kompletten menschlichen Körper und die Psyche aus dem Gleichgewicht. Viele Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken, verlernen deshalb die Signale ihres Körpers richtig zu deuten und nehmen sich selbst kaum noch wahr. Wahrnehmungstrainings wie zum Beispiel das propriozeptive Training helfen, wieder zu einer gesunden Körperwahrnehmung zurückzufinden. Auch Gleichgewicht und Koordination werden auf diese Weise gestärkt.
Aufbau von Fitness und Muskeln
Ein langjähriger Alkoholkonsum führt bei vielen Betroffenen zu Bewegungsmangel sowie einer Unterversorgung mit Nährstoffen. Da das Muskelwachstum aber einen Bewegungsreiz genauso braucht wie Proteine oder Vitamine, müssen Alkoholiker nach einem Entzug erst einmal viel trainieren, bevor sie sich wieder fit und wohl in ihrem Körper fühlen.
Die Sport- und Bewegungstherapeuten setzen hierfür häufig auf einen abwechslungsreichen Mix aus Kraft- bzw. Muskelaufbautraining und Fitnessübungen. Wichtig ist, dass die Patienten nicht allein die Leistung im Kopf haben, sondern sich langsam herantasten. Hierbei spielt auch eine gesunde Ernährung eine wichtige Rolle. Im Rahmen einer Therapie werden hierzu begleitende Informationen vermittelt.
Stärkung der psychischen Gesundheit
Weil körperliche Ertüchtigung zum Stressabbau beiträgt, Schlafprobleme beseitigt und „Glückshormone“ freisetzen kann, ist ein gezieltes Training wichtig, um bei trockenen Alkoholikern für Ausgeglichenheit und psychische Zufriedenheit zu sorgen. Viele von ihnen haben schließlich jahrelang Alkohol getrunken, um Kummer, Sorgen oder Ängste zu betäuben. Fällt der Alkohol als Problemlöser im Verlauf der Therapie weg, muss ein passender Ersatz her. Sport erfüllt hier unter anderem eine regulative Funktion und ist ein ideales Mittel zur psychischen Stabilisierung suchtkranker Menschen.
Einfluss auf Nervenwachstumsfaktoren
Die Funktionen des zentralen Nervensystems können durch Sport positiv beeinflusst werden, hierzu zählen kognitive Fähigkeiten, Gedächtnisleistungen und Lernprozesse. Eine wichtige Rolle spielen dabei u. a. Hirn-Wachstumsfaktoren (BDNF) und Nervenwachstumsfaktoren (NGF). Diese werden vor allem durch moderaten Ausdauersport beeinflusst und haben Auswirkungen auf die Neurogenese und den Hippocampus.2
Ablenkung vom Suchtdruck
Sportliche Aktivitäten innerhalb des Alkoholentzugs bieten eine positive Ablenkung vom Verlangen nach dem Trinken. Darüber hinaus ergab eine experimentelle Studie aus den USA, dass Sport mit großer Wahrscheinlichkeit die Regeneration des Gehirns unterstützen und eventuell auch den Kontrollverlust positiv beeinflussen kann. Daher empfiehlt es sich auf jeden Fall, den Alkoholentzug mit Sport zu verbinden.
Soziale Integration
Menschen, die viel Alkohol trinken, neigen dazu sich sozial zu isolieren, weil sie sich schämen oder die Stigmatisierung durch andere fürchten. Sportliche Aktivitäten in der Gruppe können zum Beispiel während einer Alkoholtherapie dabei helfen, wieder Kontakte mit anderen Menschen zu knüpfen. Zu wissen, dass diese von derselben Krankheit betroffen sind und unter ähnlichen Problemen leiden, kann Hürden im sozialen Miteinander abbauen. Im geschützten Rahmen einer Therapie können Alkoholiker sich der Teilnahme an einer sportlichen Betätigung öffnen und diese bei Gefallen auch nach dem Entzug im Alltag fortführen.
Mehr Spaß und Selbstbewusstsein
Ein jahrelanger Alkoholkonsum schädigt nicht nur die physische und psychische Gesundheit – das Trinken lässt auch das Selbstbewusstsein der Alkoholiker schwinden. Das Gefühl zu versagen oder die Empfindung, nicht gut genug zu sein, dominieren häufig den Alltag. Sport während des Alkoholentzugs hilft dabei, das eigene Selbstbewusstsein wieder anzukurbeln. Wichtig ist es allerdings, sich stets nur kleine, schaffbare Ziele zu setzen.