Selbst, wenn eine berufsbegleitende Sucht-Reha nach dem körperlichen Alkoholentzug für den ein oder anderen abhängigen Patienten zunächst verlockend erscheinen mag, sollte bedacht werden, dass ambulante bzw. teilstationäre Entwöhnungsbehandlungen oft weniger erfolgreich sind. Die Betroffenen sind während einer ambulanten Behandlung den gewohnten Suchttriggern ausgesetzt, dadurch kommt es leichter zu Rückfällen. Darüber hinaus kann die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Trinkens, also der Suchthistorie, sehr anstrengend sein, verdrängte Traumata an die Oberfläche holen und auf diese Weise die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen.
Welche persönlichen Faktoren beeinflussen die Alkoholentwöhnung-Dauer?
Eine Sucht entsteht in der Regel nicht von heute auf morgen, sondern über viele Jahre hinweg. Während dieser Zeitspanne sind die Betroffenen zahlreichen Einflüssen ausgesetzt, die in ihrer Summe eine Suchtentstehung begünstigen können.
Das soziale Umfeld
Es gibt Familien, Freundschaften und Kollegenkreise, in denen das Trinken von Alkohol – sei es zum Feierabend oder in Gesellschaft – gewissermaßen zum guten Ton gehören. Umgekehrt existieren Umfelder, in denen Alkoholkonsum nicht, oder so gut wie nie vorkommt. Wird der Betroffene tagtäglich mit dem Konsum ihm nahestehender Personen konfrontiert, fällt es im gewohnten Umfeld deutlich schwerer, abstinent zu bleiben. Daher sollten sowohl die Entgiftung als auch die Entwöhnung stationär durchgeführt werden.
Selbstreflexionsfähigkeit
Während der Entwöhnungsbehandlung gilt es, den Suchtkranken hinreichend zu sensibilisieren, um Rückfälle in alte Trinkmuster zu verhindern. Wenn der zunächst avisierte Aufenthalt dazu nicht ausreicht, sollte die Entwöhnung verlängert werden, was in privaten Alkoholentzugskliniken normalerweise problemlos möglich sein sollte. Auch bei der stationären Sucht-Reha gibt es auf Antrag Möglichkeiten der Verlängerung. Hierzu sprechen Sie am besten den behandelnden Reha-Arzt an. Gleiches gilt, wenn ein konfliktbeladenes Umfeld die Wahrung der Abstinenz erschwert.
Begleiterkrankungen / Komorbiditäten
Menschen, die regelmäßig große Mengen Alkohol trinken, tragen nicht nur ein höheres Risiko für körperliche Erkrankungen, sondern auch für Depressionen, Angststörungen oder andere psychische Störungen2. Auch der entgegengesetzte Fall ist denkbar – die Betroffenen beginnen ihre Sorgen und Kümmernisse in einem Glas Wein oder Bier zu “ertränken”, bis es zu einer Suchtentwicklung kommt. In beiden Szenarien sollten Alkoholabhängigkeit und psychische Erkrankung gemeinsam behandelt werden, um ein Wechselspiel zwischen den Krankheitsbildern zu verhindern. Bei stark ausgeprägten Begleiterkrankungen kann es sein, dass die Behandlung verlängert werden muss, um der jeweiligen Komorbidität gerecht zu werden.
Mehrfachabhängigkeiten
Nikotin und Alkohol, Alkohol und Cannabis, Kokain und Alkohol oder MDMA und Alkohol: Viele Alkoholkranke kombinieren Alkohol mit anderen Substanzen. Auch der Mischkonsum von Tavor® und Alkohol kann vorkommen. Unabhängig von der jeweiligen Kombination müssen immer mehrere Wirkstoffe gemeinsam entzogen werden. Besonders Nikotin und Alkohol wirken synergistisch und können nach dem Entzug eine Suchtverlagerung auf den jeweils anderen Stoff hervorrufen. Die Entwöhnung sollte also auf jeden Fall so lange dauern, dass die Betroffenen das Verlangen nach beiden Substanzen in den Griff bekommen.
Länge und Höhe des Konsums
Je länger die Betroffenen übermäßig Alkohol trinken, desto länger dauert meist auch die Behandlung. Dies gilt sowohl für die Entgiftung des Körpers als auch für die Entwöhnung. Bis ein langjähriger Alkoholiker emotional verinnerlicht hat, dass eine Abstinenz der einzige Weg zu einem gesunden, selbstbestimmten Leben ist, kann es unter Umständen mehrere Monate dauern. Der Betroffene hat sich zu lange auf die Substanz fokussiert, um dieses Verhalten schnell ablegen zu können. Trotzdem ist jede Sucht durch die Entwicklung des Suchtgedächtnisses eine “Lebenskrankheit” und kann nie vollständig geheilt werden.