Alkoholabhängigkeit nach ICD-10

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Aktualisiert am: 08.11.2021
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Alkoholabhängigkeit nach ICD-10: alles Wichtige in 30 sec.

  • Das Diagnosemanual ICD-10 der WHO dient der Diagnostik einer Alkoholsucht und anderer alkoholbedingter Erkrankungen.
  • Die Alkoholsucht wird diagnostisch als Abhängigkeitssyndrom (F10.2) bezeichnet.
  • Anzeichen sind Craving, Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, gedankliche Fokussierung auf Alkohol & Konsumfortführung trotz negativer Folgen.
  • Zur Abrechnung mit der Krankenkasse ist eine Verschlüsselung nach ICD-10 erforderlich.
  • Ebenso gibt das ICD-10 Diagnosevorgaben und dient als Behandlungsgrundlage.
Inhalt

Definition einer ernstzunehmenden Krankheit

Spätestens seit den Forschungen des Physiologen Elvin Morton Jellinek, die in den 1950er Jahren veröffentlicht wurden, ist klar, dass Alkoholismus eine eigenständige, gravierende Krankheit ist. Allerdings verschwimmen die Symptome der Alkoholabhängigkeit häufig mit denen verwandter Krankheitsbilder und Störungen, die ebenfalls durch Alkohol hervorgerufen werden. Um Klarheit zu schaffen, werden im Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, kurz ICD-10, verschiedene Kriterien vorgestellt, anhand derer sich die einzelnen substanzbezogenen Störungen voneinander unterscheiden lassen. So lässt sich durch das ICD-10 die Alkoholabhängigkeit eindeutig identifizieren und abgrenzen, was wiederum für eine erfolgreiche Behandlung relevant ist.

Was ist das ICD-10?

Beim ICD-10 handelt es sich um die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems)“, wobei häufig nur von der Internationalen Klassifikation der Krankheiten oder eben dem ICD gesprochen wird. Die Ziffer, die dem ICD nachgestellt ist, bezieht sich auf die aktuell gültige Version des Systems. Derzeit werden Diagnosen basierend auf dem ICD-10 gefällt, ab dem Jahr 2022 soll jedoch eine neuere Version, das ICD-11, in Kraft treten. Diese Version wurde bereits vom Herausgeber, der Weltgesundheitsorganisation (WHO), beschlossen.

Welche alkoholinduzierten Krankheitsbilder stehen im ICD-10?

Alkohol wird vom ICD-10 als psychotrope Substanz eingestuft, welche körperliche und psychische Störungen hervorrufen kann. Mit einem riskanten Alkoholkonsum zusammenhängende Krankheitsbilder werden in der Kategorie „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ aufgeführt und können anhand der Kennziffer F10.- verschlüsselt werden. Unterschieden wird zwischen

  • akuter Intoxikation
  • schädlichem Gebrauch
  • dem Abhängigkeitssyndrom
  • dem Entzugssyndrom
  • dem Entzugssyndrom mit Delir
  • psychotischen Störungen
  • dem amnestischen Syndrom
  • dem Restzustand und verzögert auftretenden psychotischen Störungen
  • weiteren gesundheitlichen Problemen

Selbstverständlich kann der Patient auch mehrere Kennziffern haben. Denn ein Alkoholabhängiger kann intoxikiert zur Aufnahme kommen und danach einen Entzug entwickeln oder sogar einen Entzug mit Delir, daneben kann auch ein Restzustand vorliegen. Somit bräuchte dieser Patient vier Kennziffern.

Wichtig ist es auch, zu wissen, dass ein Unterschied zwischen einem schädlichen Gebrauch von Alkohol (Alkoholmissbrauch) und einer Alkoholabhängigkeit besteht. Die Diagnosestellung sollte nur von einem Arzt getroffen werden, denn die Übergänge verlaufen oft fließend.

Was ist das Abhängigkeitssyndrom von Alkohol nach ICD-10?

In der Kategorie F10.2 des Klassifikationssystems wird das sogenannte Abhängigkeitssyndrom bzw. der Alkoholismus als eine Kombination aus verschiedenen Phänomenen beschrieben, die sich auf der Verhaltensebene, der kognitiven und der körperlichen Ebene abspielen und sich im Laufe der Zeit entwickeln, wenn dauerhaft größere Mengen Alkohol konsumiert werden.

Craving

Der Betroffene leidet unter dem starken Wunsch oder gar Zwang, Alkohol zu konsumieren. Dieses Substanzverlangen kann auch gegeben sein, wenn der chronische Konsum noch keine körperliche Abhängigkeit ausgelöst hat.

Toleranzentwicklung

Als psychoaktive Substanz erzeugt Alkohol eine charakteristische Wirkung. Je häufiger der Alkoholkonsum stattfindet, umso stärker schwächt sich diese allerdings ab. Entsprechend stellt sich eine Toleranz gegenüber der Alkoholwirkung ein, in deren Folge die Betroffenen stetig größere Mengen trinken müssen, um weiterhin die gewünschten Effekte zu erzielen.

Kontrollverlust beim Alkoholkonsum

Alkoholiker verlieren mit dem Voranschreiten der Krankheit zunehmend die Kontrolle über das eigene Trinkverhalten. Das bedeutet oft, dass sich sowohl die Trinkmenge als auch die Trinkzeiten ausweiten. So wird beispielsweise nicht mehr nur noch abends, sondern auch nachmittags oder gar morgens getrunken.

Alkoholkonsum trotz offensichtlicher schädlicher Folgen

Bei diesem Kriterium sprechen Experten häufig auch vom Verlust der Abstinenzfähigkeit. Obwohl der Alkoholsüchtige bemerkt, dass sein Konsum körperliche, psychische und soziale Schäden verursacht, sieht er sich nicht dazu in der Lage mit dem Trinken aufzuhören.

Entzugserscheinungen

Der Verzicht auf den Alkohol als suchterzeugende Substanz erzeugt in der Regel beim Alkoholsüchtigen Entzugserscheinungen. Typisch sind beispielsweise Zittern, Schweißausbrüche, Schlafstörungen oder innere Unruhe. An dieser Stelle sei aber erwähnt, dass nicht bei jedem Abhängigen körperliche Entzugserscheinungen auftreten, d.h. fehlende Entzugssymptome schließen eine Abhängigkeit auch nicht aus.

Da diese Entzugserscheinungen sehr belastend sind, scheitern viele Suchtkranke daran, ihren Alkoholkonsum ohne fremde Hilfe zu überwinden. Wer unter einer Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 leidet, verspürt die Entzugserscheinungen nicht nur, wenn er bewusst auf Alkohol verzichtet, sondern bisweilen auch dann, wenn sich die gewohnte „Einnahme“ verzögert.

Verengung des Denkens auf den Konsum

Der Alkohol ist im Kopf von Süchtigen permanent ein dominierendes Thema – da bleibt nicht viel Raum für andere Interessen. Infolgedessen vernachlässigen die Betroffenen häufig nicht nur Hobbys und Beruf, sondern auch familiäre und freundschaftliche Verpflichtungen.

Um eine Alkoholabhängigkeit gemäß den Kriterien des Klassifikationssystems diagnostizieren zu können, ist es nicht notwendig, dass sämtliche der obig genannten Symptome auftreten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass mindestens drei der Kriterien im vergangenen Jahr gemeinsam aufgetreten sein müssen, um eine Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 zu bestimmen.

Warum ist die Diagnose nach ICD-10 wichtig?

Alle in Deutschland niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, die mit der Krankenkasse abrechnen, sind bei der Behandlung von Patienten dazu verpflichtet, die Diagnose nach den Vorgaben des Internationalen Klassifikationssystems zu verschlüsseln. Das gilt laut §295 und §301 Sozialgesetzbuch V sowohl bei der ambulanten als auch bei der stationären Behandlung der Betroffenen.

Die Behandlung des Alkoholismus ist wiederum wichtig, um negative psychische und körperliche Folgen des krankhaften Alkoholkonsums abzuwenden. Bleibt die Alkoholsucht unbehandelt, können unter anderem eine Leberzirrhose, das Korsakow-Syndrom, depressive Episoden, Angststörungen, eine Polyneuropathie durch Alkohol und noch viele weitere Krankheiten mehr auftreten.

Wie sollte die Diagnose gemäß den Vorgaben erfolgen?

Im ICD-10 werden deutliche Hinweise vermerkt, welche Hilfsmittel für eine Diagnose durch den Arzt genutzt werden sollten. Hierzu gehören neben den Angaben des Betroffenen die Analyse von Blutproben sowie anderen Körperflüssigkeiten, die Berücksichtigung charakteristischer psychischer und physischer Symptome sowie gegebenenfalls fremdanamnestische Angaben (etwa durch Familienangehörige). Mitunter kann es erforderlich sein, eine Zusatzdiagnose zu stellen, wenn der Patient nicht nur von Alkohol, sondern weiteren suchterzeugenden Substanzen abhängig ist.

Wie hilft die Diagnose bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit?

Eine umfassende Diagnose mithilfe eines Klassifikationssystems vorzunehmen, hilft vor allem dabei eine Krankheit wie den Alkoholismus exakt zu definieren und in all seinen Ausprägungen zu verdeutlichen. Sie ähnelt daher einer umfassenden Bestandsaufnahme, die es den behandelnden Ärzten ermöglicht, die Therapie exakt auf die Bedürfnisse des Patienten abzustimmen.

Gleichzeitig sind Klassifikationssysteme aber immer als begrenztes Diagnoseinstrument zu bewerten. Sie berücksichtigen weder den individuellen Gesundheitszustand des Alkoholikers noch seine persönliche Leidensgeschichte oder die Ursachen, die zu einer Abhängigkeit von Alkohol geführt haben. Gerade diese Aspekte sind jedoch für eine erfolgreiche Behandlung relevant. Zudem helfen sie dem Betroffenen selbst, seine Krankheit besser zu verstehen und aktiv an sich zu arbeiten. Denn nur wer erkennt, welche Strukturen die Sucht unterstützen, kann diese angehen und beseitigen.

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