ADHS und Sucht

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Aktualisiert am: 16.07.2024
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Wichtiges in 30 Sek.

  • ADHS ist eine häufige neuro-psychiatrische Störung im Kindes- und Jugendalter.
  • Oft bleibt die ADHS auch bei Erwachsenen bestehen, ggf. mit veränderter Symptomatik.
  • Betroffene haben ein größeres Risiko, eine Suchterkrankung auszubilden.
  • Eine Selbstmedikation mit Rauschmitteln dient der Symptomlinderung der ADHS, z. B. Verbesserung von Konzentration und Unruhe, oder begleitender Komorbiditäten wie Depressionen.
  • Die Behandlung von ADHS und Sucht erfordert eine individuelle multimodale Therapie.
Inhalt

Was ist ADHS bzw. ADS?

Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bzw. das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) ist eine psychische Erkrankung, die sich im Kinder- und Jugendalter manifestiert und bis ins Erwachsenenalter bestehen kann. Charakteristische Symptome sind Konzentrationsstörungen, erhöhte Ablenkbarkeit, Impulsivität, innere Unruhe und Selbstunsicherheit. Die Ausprägung der Symptome ist von Mensch zu Mensch verschieden. Unbehandelt kann die Erkrankung zu Komorbiditäten und einem erhöhten Risiko für eine Abhängigkeit bei Betroffenen führen.

Wie verbreitet ist ADHS in Deutschland?

ADHS wurde lange als „Modekrankheit“ bezeichnet. Allerdings ist davon auszugehen, dass es sich um alles andere als eine neue Erkrankung handelt. Vielmehr existieren erst seit kurzem die richtigen Werkzeuge, um eine fundierte Diagnose stellen zu können.

ADHS bei Kindern und Jugendlichen

Bei Kindern und Jugendlichen gilt ADHS als eine der häufigsten diagnostizierten Störungen. Bisherige Schätzungen gehen davon aus, dass rund 5 % aller Kinder und Jugendlichen eine entsprechende Diagnose erhalten, jedoch steht diese Zahl in der Kritik, da nicht klar ist, ob die entsprechenden Diagnosen immer leitliniengerecht gestellt wurden1.

ADHS bei Erwachsenen

Konkrete Zahlen zur Verbreitung von ADHS bei Erwachsenen sind schwer zu erheben, da von einer großen Zahl an nicht erfassten bzw. nicht diagnostizierten Fällen ausgegangen werden muss. Zudem wurde ADHS bzw. ADS lange Zeit als Störung betrachtet, die vor allem Kinder betrifft. Eine Sensibilisierung für die Problematik bei Erwachsenen besteht erst vergleichsweise kurz. Die Häufigkeit entsprechender Diagnosen wird derzeit mit ca. 2 % angegeben2.

Wie hängen ADHS/ADS und Sucht zusammen?

Neuere Erhebungen gehen davon aus, dass etwa jeder fünfte Patient mit einer Substanzkonsumstörung auch die Diagnosekriterien einer ADHS aufweist3. ADHS und Sucht sind dementsprechend Erkrankungen, die signifikant häufig gemeinsam auftreten. In der Regel handelt es sich hierbei um eine unbehandelte ADHS, die bis ins Erwachsenenalter hinein nicht erkannt wurde. Die Gründe für das gemeinsame Auftreten sind vielseitig:

Selbstbehandlung

Patienten mit unbehandelter ADHS/ADS leiden meist sehr unter den Symptomen der Erkrankung. Bei ausbleibender medizinisch-therapeutischer Behandlung werden diese oft durch die Wirkung psychotroper Substanzen „gelindert“. Diese Selbstmedikation ist eine Kompensationsstrategie, die kurzzeitig Erleichterung verschafft, auf lange Sicht aber in eine Abhängigkeit führen kann.

Sensation Seeking

Hyperaktivität, ein stark ausgeprägtes Neugierverhalten und eine erhöhte Risikobereitschaft sind typische Symptome der ADHS. Häufig spricht man in diesem Zusammenhang auch vom Sensation Seeking. Dieses gilt auch als Risikofaktor für den Konsum psychotroper Substanzen wie Alkohol oder Drogen4. Das Sensation Seeking ist somit eine weitere Ursache für das gemeinsame Auftreten von ADHS und Sucht bei Betroffenen.

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Selbstmedikation bei Komorbiditäten

Nicht immer ist die Aufmerksamkeitsdefizitstörung unmittelbare Ursache für den Konsum von Alkohol oder anderen Rauschmitteln: Sie kann auch zu Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angst- und Panikstörungen führen, die mit zusätzlichen belastenden Symptomen einhergehen. Die psychotropen Substanzen werden dann konsumiert, um die Symptome dieser Begleiterkrankungen zu lindern5.

Kompensation sozialer Folgen

Betroffene haben oft Schwierigkeiten und Konflikte in Lebensbereichen wie Schule, Beruf, Familie und sozialem Umfeld. Häufig kommt es bereits im Jugendalter zu schulischen Versagenserlebnissen, die dann wiederum Konsequenzen für das berufliche und soziale Leben als Erwachsene haben. Die Wirkung von Suchtmitteln können als Kompensationsstrategie verwendet werden, um die eigene Unzufriedenheit mit dem sozialen und beruflichen Status etc. zu betäuben.

Suchtgedächtnis: Wie funktioniert das Suchgedächtnis?Was sollte man zuerst behandeln – die ADHS oder die Suchterkrankung?

Im Idealfall wird beides gleichzeitig behandelt. Fakt ist nämlich, dass die Störung unbehandelt nach dem Entzug von Alkohol, Drogen und/oder Medikamenten bei Patienten zu einem Rückfall führen kann. Schließlich bleiben die zugrundeliegende Problematik und die belastenden Symptome ohne adäquate Therapie bestehen, sodass das Risiko einer erneuten Suchtentwicklung persistiert.

Sucht erkennen – Sucht überwinden

Der Schlüssel zur erfolgreichen Überwindung der Sucht liegt immer im Verstehen der Ursachen und dem Entwickeln von individuellen Strategien für den Umgang mit suchtauslösenden Situationen. Mit professioneller Hilfe können Sie sich aus der Sucht befreien und in ein selbstbestimmtes Leben zurückfinden.

Komplexe Situationen verlangen nach individuellen Lösungen

Viele Betroffene leiden unter einem komplexen Zusammenspiel, bei dem nicht nur ADS und Sucht, sondern weitere Komorbiditäten wie Depressionen sowie Angst- und Panikstörungen eine Rolle spielen. Für eine zielführende Behandlung sollte deshalb ein individueller Therapieansatz gewählt werden, bei dem auf die individuelle Ausprägung der Störung sowie eventuell vorliegende Komorbiditäten eingegangen wird.

Diagnose als wichtigster Ausgangspunkt

Erwachsene Patienten mit ADHS und Sucht sollten immer beide Erkrankungen behandeln lassen. Voraussetzung dafür ist, dass die ADHS-Störung korrekt diagnostiziert wird. Hierfür braucht es entsprechend erfahrene Ärzte und Therapeuten, die im Rahmen einer ganzheitlichen Therapie ermitteln können, ob es bereits in der Kindheit des Patienten Anzeichen für das Vorliegen einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung gab.

Borderline und Alkohol: Was ist eine Borderlinepersönlichkeitsstörung?Wie werden ADHS und Sucht behandelt?

Um Betroffenen bei ADHS und Drogen- oder Alkoholsucht adäquat helfen zu können, reicht eine standardisierte Therapie oft nicht aus, da sie nur bedingt auf die individuellen Ausprägungen der Störung, Komorbiditäten etc. eingehen kann. Bewährt hat sich stattdessen ein multimodaler Behandlungsansatz.

Psychotherapie plus medikamentöse Behandlung bei ADHS

Untersuchungen zeigen, dass erwachsene Betroffene mit ADHS von einer multimodalen Behandlung mit Psychotherapie und medikamentöser Behandlung (Methylphenidat) profitieren6. Allerdings ist hier die Komponente der Drogen- oder Alkoholabhängigkeit nicht berücksichtigt.

ADHS, Sucht und Komorbidität gekoppelt behandeln

Eine Suchttherapie setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Hierzu gehört die körperliche Entgiftung, falls erforderlich, sowie eine psychische Entwöhnung, d. h. eine psychotherapeutische Aufarbeitung von Suchtursachen und -auslösern sowie die Entwicklung von alternativen Handlungsstrategien. Überdies kann, je nach Ausprägung der Symptomatiken, eine begleitende medikamentöse Behandlung von ADHS und Komorbiditäten wie Depressionen, Ängsten etc. sinnvoll sein. Das Vorgehen wird dabei immer individuell abgestimmt.

Gibt es spezialisierte Kliniken für die Behandlung von ADHS und Sucht?

Doppeldiagnosen aus ADHS und Sucht (Drogen, Alkohol, Medikamente, Spielsucht etc.) sowie weiteren psychischen Begleiterkrankungen verlangen nach einem individuellen, multimodalen Therapieansatz. Nur so können Betroffene die zugrundeliegende Störung ADS langfristig in den Griff bekommen und die Suchtproblematik überwinden. Dafür braucht es erfahrene Suchtmediziner und -therapeuten sowie flexible Behandlungskonzepte, die sich an die Bedürfnisse der Betroffenen anpassen lassen.

ADHS-Symptomatik muss erst einmal erkannt werden

Wichtig ist eine gute Diagnostik im Erwachsenenalter, insbesondere weil sich die Symptomatik hier anders darstellt als bei Kindern. Manche Erwachsenen entwickeln im Laufe ihres Lebens Strategien, um beispielsweise „ungeliebtes“ Verhalten wie motorische Unruhe zu kompensieren. Diese kann sich später in Form einer inneren Unruhe zeigen, die von außen nur noch schwer wahrnehmbar ist – ganz anders als in der Kindheit.

Bei ganzheitlich ausgerichteten Suchtkliniken, die auch Begleiterkrankungen behandeln, prüft die Standarddiagnostik auch das mögliche Vorliegen einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Wird beides parallel behandelt, können langfristige Veränderungen im Verhalten Betroffener erreicht werden.

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Betroffene sollten sich vorab informieren

Bevor Betroffene sich aufgrund einer Abhängigkeit von Drogen oder Alkohol in eine Klinik begeben, ist es sinnvoll, sich in der Einrichtung über die Form der Therapien und das Behandlungsspektrum zu informieren. Das gilt vor allem dann, wenn zusätzlich zur Abhängigkeit Symptome vorliegen, die auf (psychische) Begleiterkrankungen hindeuten.

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    Quellenangaben

    1 Robert Koch Institut „ADHS in Deutschland – Vergleich und Integration administrativer und epidemiologischer ADHS-Diagnosedaten durch klinisches Assessment (INTEGRATED-ADHD), 07.02.2024, https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/INTEGRATE_ADHD/INTEGRATE-ADHD_inhalt.html (Datum des Zugriffs: 26.02.2024)

    2 Matthies, S. „Informationen zu ADHS im Erwachsenenalter“, https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/07_kliniken/psy_psychiatrie/pdf/InformationenzuADHSimErwachsenenalter.pdf (Datum des Zugriffs: 07.03.2024)

    3 Rohner H, Gaspar N, Philipsen A, Schulze M. “Prevalence of Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) among Substance Use Disorder (SUD) Populations: Meta-Analysis.” Int J Environ Res Public Health. 2023 Jan 10;20(2):1275. doi: 10.3390/ijerph20021275. PMID: 36674031; PMCID: PMC9859173, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9859173/ (Datum des Zugriffs: 26.02.2024)

    4 Batra, Anil et al. “ADHS und Sucht”, Editorial, In: Sucht, Jahrgang 61, Heft 5, Oktober 2025, 275 – 277, https://doi.org/10.1024/0939-5911.a000383, https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1024/0939-5911.a000383 (Datum des Zugriffs: 26.02.2024)

    5 ebd.

    6 Weih, M. Multimodale Behandlung stärkt Therapieerfolg. InFo Neurologie 21, 22 (2019). https://doi.org/10.1007/s15005-019-0144-9, https://link.springer.com/article/10.1007/s15005-019-0144-9 (Datum des Zugriffs: 26.02.2024)

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