Was sind die diagnostischen Kriterien für ein Alkoholproblem?
Neben einer ausführlichen Patientenbefragung zu den Trinkgewohnheiten, erhalten Mediziner einen Anhaltspunkt zur Diagnose durch das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebene Klassifizierungssystem ICD-10. Dieses unterscheidet gleich 10 unterschiedliche Alkoholprobleme.
Alkoholvergiftung / Akute Intoxikation (F10.0)
Von einer Alkoholvergiftung wird gesprochen, wenn die Leistungen des Gehirns durch eine Überdosis Alkohol beeinträchtigt werden. Die Vergiftung kann dabei akut oder chronisch sein. Typische äußere Anzeichen sind
- eine undeutliche Sprache und unangemessene Wortwahl,
- eine verlängerte Reaktionszeit,
- Zitteranfälle und
- Übelkeit und Erbrechen.
Zu den inneren Anzeichen zählen u. a.
- Schwindel und Gleichgewichtsstörungen,
- Gedächtnisbeeinträchtigungen,
- Schweißausbrüche und
- Veränderungen des Verhaltens, z. B. Distanzlosigkeit, erhöhte Gewaltbereitschaft
Die Alkoholvergiftung verläuft in vier Stadien. Je höher der Alkoholgehalt im Blut, desto mehr gravierende Symptome kommen hinzu und desto gefährlicher wird es für den Konsumenten. Lebensgefährliche Komplikationen können ab 2,5 Promille auftreten. Ab 4 Promille ist die Wahrscheinlichkeit eines Atemstillstandes oder einer anderen lebensbedrohlichen Komplikation sehr hoch.
Alkoholmissbrauch / Schädlicher Gebrauch (F10.1)
Unter Alkoholmissbrauch ist ein riskanter Alkoholkonsum zu verstehen, der bereits zu körperlichen und / oder psychischen Gesundheitsschädigungen geführt hat. Ebenso liegt ein Alkoholmissbrauch vor, wenn es durch den Gebrauch von Alkohol zu negativen sozialen Folgen kommt, beispielsweise zum Verlust des Arbeitsplatzes oder der Trennung vom Partner. Zeitlich betrachtet, muss der hohe Alkoholkonsum seit mindestens einem Monat bestehen oder in den letzten 12 Monaten mehrmals aufgetreten sein.
Alkoholsucht / Abhängigkeitssyndrom (F10.2)
Eine Alkoholsucht, umgangssprachlich auch als Alkoholismus bezeichnet, liegt immer dann vor, wenn der Betroffene von der Substanz abhängig ist und ohne sie gewissermaßen nicht mehr leben kann. So besteht eine Abhängigkeit, wenn während des vergangenen Jahres mindestens 3 oder mehr der nachfolgenden Kriterien aufgetreten sind:
- Sehr starkes Verlangen nach der Substanz (Craving / Suchtdruck)
- Kontrollverlust über die Menge und die Dauer des Konsums, sowie über den Einnahmezeitpunkt (immer früher am Tag)
- Körperliche und psychische Entzugserscheinungen bei Trinkstopp
- Toleranzentwicklung (Gewöhnung): Man braucht immer größere Mengen, um den gleichen Effekt zu erzeugen
- Ausschließliche Fokussierung auf Alkohol
- Fortlaufender Substanzkonsum trotz negativer Folgen für die Gesundheit und / oder das soziale Umfeld
Körperliche und psychische Entzugserscheinungen / Entzugssyndrom (F10.3)
Ein Entzugssyndrom tritt während der Entgiftung auf, wenn die Alkoholkonzentration im Blut sinkt und irgendwann gar nicht mehr vorhanden ist. Grundsätzlich leidet jeder Entziehende mit der Zeit an Entzugssymptomen, lediglich die Art, Dauer und Ausprägung variieren von Mensch zu Mensch. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Starkes Schwitzen und Zittern der Hände
- Kreislaufprobleme und Übelkeit
- Krampfanfälle mit oder ohne Delir
- Depressive Verstimmungen und Ängste
- Schlafstörungen und innere Unruhe
- Aggressives und gereiztes Verhalten
- Halluzinationen
Entzugssyndrom mit Delir (F.10.4)
Das Entzugssyndrom mit Delir tritt bei rund 5 bis 16 Prozent aller entziehenden Alkoholkranken auf. Hier entwickelt sich neben den üblichen Entzugssymptomen auch ein Alkoholdelir bzw. Delirium tremens, das häufig mit epileptischen Anfällen, Verwirrtheit, Desorientierung und einem Kontrollverlust über die Körperfunktionen verbunden ist. Unbehandelt liegt die Sterblichkeitsrate bei ca. 20 Prozent, bei einer stationären Behandlung und ärztlicher Intervention lediglich bei 2 Prozent.
Weitere psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol
Weitere Folgen eines übermäßigem Alkoholkonsums sind die Psychotische Störung (F10.5), das Amnestische Syndrom (F10.6), der Restzustand und die verzögert auftretende psychotische Störung (F10.7) und sonstige Störungen (F10.8 und F10.9). Im Vergleich zu den ausführlich beschriebenen Alkoholproblemen handelt es sich hier allerdings eher um seltenere Krankheitsbilder, die üblicherweise in Verbindung mit einem chronischen Alkoholismus auftreten.