Alkoholentzug und Sport

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Aktualisiert am: 22.11.2023
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Alles Wichtige in 30 sec.

  • Sport spielt eine wichtige Schlüsselrolle zur Erhaltung der Gesundheit; allerdings sind Alkohol & sportliche Fitness unvereinbar.
  • Zur Verbesserung der Kondition sind sportliche Angebote während eines Entzugs elementar.
  • Sie vermitteln Tagesstrukturen und eine bessere Körperwahrnehmung, stärken die psychische Gesundheit und helfen gegen Suchtdruck.
  • Darüber hinaus geben Sportangebote neue Perspektiven für das Leben nach der Alkoholtherapie.
  • Angebote während des Entzugs sind Ausdauer- und Fitnesstraining, Tai-Chi, Yoga, Rückenschule, Schwimmen und Gruppensport.
Inhalt

Bewegung neu erlernen und erleben

Menschen, die regelmäßig große Mengen Alkohol trinken, müssen neben zahlreichen körperlichen Erkrankungen noch weitere physische Folgen in Kauf nehmen. Die Kondition lässt nach, die Muskulatur baut ab und die Koordinationsfähigkeit verschlechtert sich zunehmend. Im Rahmen eines Alkoholentzugs stehen demnach neben Entgiftung und Entwöhnung häufig Sport und Bewegungstherapien auf dem Therapieplan.

Warum sind Sport und Bewegungstherapien gesund?

Sport spielt beim Thema Gesundheit eine Schlüsselrolle. Regelmäßige körperliche Bewegung verbessert die Kondition und Leistungsfähigkeit des Körpers, hilft Krankheiten vorzubeugen, sorgt für Wohlbefinden und stärkt die sogenannten psychoregulativen Systeme. Darüber hinaus hilft Sport dabei, der sozialen Isolation vorzubeugen, weil viele sportliche Aktivitäten in der Gruppe ausgeübt werden oder zumindest soziale Anknüpfungspunkte bieten.

Weiterhin werden beim Training verschiedene chemische Prozesse im menschlichen Gehirn in Gang gesetzt, die beim Stressabbau helfen und „Glückshormone“ freisetzen. Deshalb spielen Sport und Bewegung bei vielen Therapieformen eine wichtige Rolle – auch in der Suchttherapie.

Wie steht es um die körperliche Fitness bei Alkoholkranken?

Alkohol und Sport bzw. sportliche Fitness sind gewissermaßen unvereinbar. Schließlich verringert ein regelmäßiger Alkoholkonsum die Ausschüttung von Wachstumshormonen und verhindert dadurch den Muskelaufbau. Darüber hinaus entziehen alkoholhaltige Getränke dem Körper Wasser. Zudem enthält Alkohol viele Kalorien, beeinträchtigt das Herz-Kreislauf-System und erhöht beim Sport die Verletzungsgefahr.

Hinzu kommen verschiedene Folge- oder Begleiterkrankungen der Alkoholsucht, wie zum Beispiel depressive Verstimmungen, Angsterkrankungen, Schlafprobleme oder Mangelernährung. Auch diese haben einen direkten Einfluss auf die physische und psychische Fitness von Alkoholikern. Da sich die Gedanken der meisten Alkoholkranken ohnehin ausschließlich um den Substanzkonsum drehen, kommt ein regelmäßiges sportliches Training bei ihnen kaum oder nur sehr wenig zum Tragen. Die wenigen sportlich aktiven Alkoholiker rettet der Sport vor dem kompletten Absturz.

Welche Vorteile bringt Bewegungstherapie für Suchtkranke?

Das Thema Alkoholentzug und Sport ist in den meisten stationären Einrichtungen, die einen Entzug oder eine Entwöhnung / Suchtrehabilitation anbieten, sehr präsent. Auch wenn es noch wenige klinische Studien in diesem Bereich gibt1, ist offensichtlich, dass sich die körperliche Leistungsfähigkeit durch gezielte Sportangebote deutlich verbessert und das Körpererleben positiv beeinflusst. Folge Ziele und Vorteile stehen im Fokus einer Sporttherapie im Rahmen eines Alkoholentzugs:

Orientierung bietende Tagesstrukturen 

Wer nach vielen Jahren des krankhaften Konsums damit beginnt, auf Alkohol zu verzichten, wird komplett aus seinem gewohnten Rhythmus gerissen. Bei langjährigen Alkoholikern ist es schließlich häufig der Alkohol, der die Tagesstrukturen vorgibt. Sportangebote können dabei helfen, dem (Klinik-)Alltag eine neue Struktur zu geben. Deshalb stehen während eines stationären Entzugs normalerweise immer sportliche Therapieangebote auf dem individuellen Behandlungsplan. Auch für die Zeit nach Entgiftung und Entwöhnung sind sportliche Angebote hilfreich, um den Alltag oder das Leben zu strukturieren.

Wiederaufbau der eigenen Körperwahrnehmung 

Alkoholische Getränke wie Bier oder Wein bringen auf lange Sicht nicht nur den Neurotransmitter-Stoffwechsel, Reaktionsvermögen und Koordination, sondern auch den kompletten menschlichen Körper und die Psyche aus dem Gleichgewicht. Viele Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken, verlernen deshalb die Signale ihres Körpers richtig zu deuten und nehmen sich selbst kaum noch wahr. Wahrnehmungstrainings wie zum Beispiel das propriozeptive Training helfen, wieder zu einer gesunden Körperwahrnehmung zurückzufinden. Auch Gleichgewicht und Koordination werden auf diese Weise gestärkt.

Aufbau von Fitness und Muskeln 

Ein langjähriger Alkoholkonsum führt bei vielen Betroffenen zu Bewegungsmangel sowie einer Unterversorgung mit Nährstoffen. Da das Muskelwachstum aber einen Bewegungsreiz genauso braucht wie Proteine oder Vitamine, müssen Alkoholiker nach einem Entzug erst einmal viel trainieren, bevor sie sich wieder fit und wohl in ihrem Körper fühlen.

Die Sport- und Bewegungstherapeuten setzen hierfür häufig auf einen abwechslungsreichen Mix aus Kraft- bzw. Muskelaufbautraining und Fitnessübungen. Wichtig ist, dass die Patienten nicht allein die Leistung im Kopf haben, sondern sich langsam herantasten. Hierbei spielt auch eine gesunde Ernährung eine wichtige Rolle. Im Rahmen einer Therapie werden hierzu begleitende Informationen vermittelt.

Stärkung der psychischen Gesundheit

Weil körperliche Ertüchtigung zum Stressabbau beiträgt, Schlafprobleme beseitigt und „Glückshormone“ freisetzen kann, ist ein gezieltes Training wichtig, um bei trockenen Alkoholikern für Ausgeglichenheit und psychische Zufriedenheit zu sorgen. Viele von ihnen haben schließlich jahrelang Alkohol getrunken, um Kummer, Sorgen oder Ängste zu betäuben. Fällt der Alkohol als Problemlöser im Verlauf der Therapie weg, muss ein passender Ersatz her. Sport erfüllt hier unter anderem eine regulative Funktion und ist ein ideales Mittel zur psychischen Stabilisierung suchtkranker Menschen.

Einfluss auf Nervenwachstumsfaktoren

Die Funktionen des zentralen Nervensystems können durch Sport positiv beeinflusst werden, hierzu zählen kognitive Fähigkeiten, Gedächtnisleistungen und Lernprozesse. Eine wichtige Rolle spielen dabei u. a. Hirn-Wachstumsfaktoren (BDNF) und Nervenwachstumsfaktoren (NGF). Diese werden vor allem durch moderaten Ausdauersport beeinflusst und haben Auswirkungen auf die Neurogenese und den Hippocampus.2

Ablenkung vom Suchtdruck

Sportliche Aktivitäten innerhalb des Alkoholentzugs bieten eine positive Ablenkung vom Verlangen nach dem Trinken. Darüber hinaus ergab eine experimentelle Studie aus den USA, dass Sport mit großer Wahrscheinlichkeit die Regeneration des Gehirns unterstützen und eventuell auch den Kontrollverlust positiv beeinflussen kann. Daher empfiehlt es sich auf jeden Fall, den Alkoholentzug mit Sport zu verbinden.

Soziale Integration

Menschen, die viel Alkohol trinken, neigen dazu sich sozial zu isolieren, weil sie sich schämen oder die Stigmatisierung durch andere fürchten. Sportliche Aktivitäten in der Gruppe können zum Beispiel während einer Alkoholtherapie dabei helfen, wieder Kontakte mit anderen Menschen zu knüpfen. Zu wissen, dass diese von derselben Krankheit betroffen sind und unter ähnlichen Problemen leiden, kann Hürden im sozialen Miteinander abbauen. Im geschützten Rahmen einer Therapie können Alkoholiker sich der Teilnahme an einer sportlichen Betätigung öffnen und diese bei Gefallen auch nach dem Entzug im Alltag fortführen.

Mehr Spaß und Selbstbewusstsein

Ein jahrelanger Alkoholkonsum schädigt nicht nur die physische und psychische Gesundheit – das Trinken lässt auch das Selbstbewusstsein der Alkoholiker schwinden. Das Gefühl zu versagen oder die Empfindung, nicht gut genug zu sein, dominieren häufig den Alltag. Sport während des Alkoholentzugs hilft dabei, das eigene Selbstbewusstsein wieder anzukurbeln. Wichtig ist es allerdings, sich stets nur kleine, schaffbare Ziele zu setzen.

Alkoholentzug und Sport: Welche Sportarten werden bei einer Entzugstherapie angeboten?

Um die positiven Effekte der körperlichen Betätigung möglichst schnell vermitteln zu können, arbeiten Entzugskliniken häufig mit Physio- und / oder Sporttherapeuten zusammen. Diese können nicht nur individuelle Trainingspläne zusammenstellen, sondern auch mit gezielten Übungen auf die Probleme oder Schwierigkeiten einzelner Patienten eingehen. Besonders bewährt haben sich Trainingseinheiten und Übungen wie

  • Ausdauer- und Fitnesstrainings
  • Tai-Chi
  • Rückenschule
  • Yoga
  • Schwimmen und Aquagymnastik
  • Gruppensportarten wie Volleyball

Insbesondere die Gruppensportarten können auch für das Leben nach dem Alkoholentzug entscheidend sein. Wer sich nach dem Klinikaufenthalt in einem Sportverein integriert, findet hier ein soziales Netz, das nicht nur Spaß und neue Vitalität verspricht, sondern auch dabei helfen kann, Rückfälle in die Alkoholabhängigkeit zu verhindern.

Neue Lebensfreude finden: Entzug dank Zusatzangeboten individuell gestalten

Menschen, die nach einem langjährigen Konsum damit aufhören möchten Alkohol zu trinken, sollten die Umstrukturierungen, die dieses Vorhaben mit sich bringt, nicht unterschätzen. Es ist deshalb von großer Wichtigkeit, dass die Betroffenen schon während der Zeit in der Klinik neue Inhalte und Ziele für ihr Leben definieren. Bewegungstherapien und Sportangebote können dabei helfen.

Hilfreiche Zusatzangebote sind aber nicht allein auf Sport- und Bewegungstherapien begrenzt. Auch Kunst- und Musik- bzw. Kreativtherapie können Menschen mit einer Alkoholkrankheit dabei unterstützen, zurück in ein selbstständiges und selbstbewusstes Leben zu finden. Denn verschiedene Kunstformen haben sich als hilfreiches Mittel bewährt, um Suchtkranken die Möglichkeit zu geben, Emotionen, Ängsten oder auch Wünschen, die sie selbst nicht formulieren können, Ausdruck zu verleihen. Deshalb sind auch kreative therapeutische Angebote oft Teil einer qualifizierten Behandlung in einer Entzugsklinik für Alkohol.

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    Quellenangaben

    Quellenliste

    1 Malchow, B.; Schmitt, A., Falkai, P. „Sport tut auch der Psyche gut!“ In: MMW-Fortschritte der Medizin, 156(1), 41–44, S. 43. doi:10.1007/s15006-014-0044-3 (Datum des Zugriffs: 13.10.2023)

    2 Bloch W. „Einfluss von Sport auf das zentrale Nervensystem – Molekulare und zelluläre Wirkmechanismen“. Dtsch Z Sportmed. 2015; 66: 42-49, S. 42, DOI:10.5960/dzsm.2015.164, https://www.germanjournalsportsmedicine.com/fileadmin/content/archiv2015/Heft_2/DZSM_2015-02_WEB_Bloch_zellulaere_Wirkmechanismen.pdf (Datum des Zugriffs 13.10.2023)

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